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Industrieproduktion dümpelt auch im Mai weiter vor sich hin


Eschborn, 05.06.2019: Immer wieder aufflackernde Handelskonflikte, die ungelöste Brexit-Frage und die weiter schwächelnde Automobilbranche haben der deutschen Industrieproduktion auch im Mai weiter zugesetzt. Das zeigen die aktuellen Umfrage-Ergebnisse zum IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI). Mit 44,3 Punkten notierte der wichtige Frühindikator für das Verarbeitende Gewerbe der größten Volkswirtschaft Europas im Berichtsmonat nur hauchdünn unter dem April-Wert (44,4) und verharrte damit auf einem der tiefsten Stände seit Mitte 2012. Gleichzeitig liegt der PMI bereits den fünften Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten, teilte der englische Finanzdienstleister IHS Markit mit.

„Auf den ersten Blick zeichnen die aktuellen EMI-Daten nach wie vor ein eher negatives Bild des deutschen Industriesektors. Allerdings mehren sich die Anzeichen für eine gewisse Stabilisierung des Verarbeitenden Gewerbes“, betonte Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) am Mittwoch in Eschborn. So gebe es Lichtblicke bei den EMI-Teilindizes Industrieproduktion und Auftragseingang. „Erfreulich für unsere Einkäufer ist zudem, dass die Beschaffungspreise im Mai dank rückläufiger Industrierohstoffpreise leicht gesunken sind“, fügte Grobosch hinzu.

„Nach mehr als einem Jahr der Abwärtsbewegung zeigen sich laut EMI gewisse Stabilisierungstendenzen. Allerdings braucht es dazu noch etwas Phantasie“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Mittwoch auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Belastend würden sicherlich zuletzt die Zuspitzung im Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie neue Handelsrestriktionen der USA gegenüber Mexiko. Sollte Donald Trump keine Zugeständnisse an China machen beziehungsweise den Protektionismus noch deutlich ausweiten, besteht die Gefahr, dass die Weltwirtschaft in eine Rezession laufe. „Wir haben jüngst die Wahrscheinlichkeit dieses negativen Alternativszenarios von 20 auf 30 Prozent erhöht und entsprechend das Basisszenario eines sukzessiven Aufschwungs im Laufe des Jahres von 70 auf 60 Prozent reduziert. Zehn Prozent bleibt weiterhin für das Positivszenario. Die Zeiten scheinen schwerer zu werden. Donald Trump hat es in der Hand – zum Guten und zum Bösen“, teilte die Helaba-Bankdirektorin dem BME abschließend mit.

„Die deutsche Konjunktur steht unter Druck. Vor allem das Auslandsgeschäft sorgt für Unsicherheit bei den hiesigen Unternehmen“, teilte DIHK-Außenwirtschaftsexperte Kevin Heidenreich am Mittwoch dem BME mit. Eine langsamere Weltwirtschaft, der Handelsstreit zwischen den USA und China aber auch der Brexit sorgten für geringere Exporterwartungen in der deutschen Industrie. Die Unternehmen stünden international also vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Daher sei es umso wichtiger, dass die deutsche Wirtschaft hierzulande Rückenwind erhalte. Dazu gehörten Entlastungen bei Bürokratie, ein schnellerer Ausbau bei Verkehrs- und IT-Infrastruktur und eine Unternehmenssteuerreform für mehr Innovationen und Investitionen.

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise sagte Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Mittwoch dem BME: „Der sich verschärfende Handelskrieg zwischen den USA und China sowie Mexiko sorgte zuletzt für fallende Rohstoffpreise. Angesichts der Sanktionen gegen den Iran sowie der extrem gesunkenen Produktion in Venezuela ist vor allem der Rückgang der Rohölpreise kräftig überzeichnet.“ Daher erwarte die IKB eine Preiskorrektur bei Rohöl in Richtung 70 US-Dollar je Barrel Brent. Eine weitere Eskalation des Handelskrieges – China habe beispielsweise Exportreduktionen von Seltenen Erden als mögliche Gegenmaßnahme genannt – könnte den Preisdruck auf Basismetalle zusätzlich verstärken. „Geringere Exporte Seltener Erden würden eine ganze Reihe europäischer Verarbeiter stark negativ tangieren. Zudem schwebt über den Rohstoffnotierungen immer noch das Damoklesschwert von Zöllen auf europäische und japanische Autobauer“, so Büchner abschließend.

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Industrieproduktion:

Der saisonbereinigte Teilindex notierte im Mai zum vierten Mal in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten. Allerdings verbesserte er sich erneut und entfernte sich weiter vom 80-Monatstief im März. Die Daten zeigen deutliche Produktionsrückgänge im Vorleistungsgüter- und Investitionsgüterbereich, wobei der Rückgang bei Ersterem weniger stark ausfiel als zuletzt. Im Konsumgüterbereich wurden unterdessen solide Zuwächse verzeichnet.

Auftragseingang insgesamt/Export:

Wie in jedem Monat seit Oktober vergangenen Jahres verbuchten die Hersteller auch im Mai wieder weniger Neuaufträge. Auch wenn sich die Schrumpfungsrate zum zweiten Mal hintereinander leicht erholte, blieb sie immer noch markant und stärker als die der Produktion. Viele Umfrageteilnehmer begründeten die sinkenden Umsatzzahlen mit der stockenden Nachfrage in der Automobilindustrie. Zudem berichteten einige von Bestandsreduzierungen bei ihren Kunden. Das Exportgeschäft der deutschen Hersteller war im Mai erneut rückläufig, womit sich die Phase sinkender Nachfrage aus dem Ausland auf neun Monate ausdehnt. Immerhin verbesserte sich die Rate zum zweiten Mal hintereinander auf den nun höchsten Wert seit Januar. Der Handelsdisput zwischen den USA und China sowie die geringere Nachfrage aus der Türkei waren nach Einschätzung von Umfrageteilnehmern hauptsächlich für das jüngste Minus verantwortlich.

Beschäftigung:

Der saisonbereinigte Teilindex rutschte im Mai noch tiefer ins Minus und signalisierte den markantesten Stellenabbau im Verarbeitenden Gewerbe seit Januar 2013. Der dritte Rückgang hintereinander ging erneut hauptsächlich auf die Nicht-Verlängerung von Zeitverträgen und Leiharbeitskräften zurück. Weniger Personal wurde dabei vor allem im Vorleistungs- und Investitionsgüterbereich registriert.

Einkaufs-/Verkaufspreise:

Im Mai sanken die durchschnittlichen Einkaufspreise, womit die seit Juli 2016 anhaltende Kosteninflation vorerst endete. Obgleich nur marginal stand die Abnahme in krassem Gegensatz zu den starken Steigerungsraten der Jahre 2017 und 2018. Die Rückmeldung mehrerer Umfrageteilnehmer ergab, dass die aktuell niedrige Nachfrage die Preise einiger wichtiger Rohstoffe merklich gedrückt hat. Das war vor allem bei Stahl und Papier der Fall. Die Inflationsrate der Verkaufspreise blieb im Mai unverändert auf dem niedrigsten Stand seit Ende 2016. Die leichte Erhöhung der Gebühren überdeckt allerdings unterschiedliche Trends auf Sektorenebene. Während im Konsumgüter- und Investitionsgüterbereich ein Anstieg verzeichnet wurde, kam es im Vorleistungsgüterbereich zu Preisreduzierungen.

Jahresausblick:

Zum achten Mal in Folge notierte der Teilindex unter der neutralen Schwelle von 50,0 Punkten. Damit ist die Zahl der Einkaufsmanager, die über die kommenden zwölf Monate mit Geschäftsrückgängen rechnen abermals höher als die, die Wachstum erwarten. Immerhin verbesserte sich der Teilindex gegenüber dem 77-Monatstief von April und signalisierte den schwächsten Grad an Pessimismus seit Januar. Nach wie vor bestimmen vor allem die Handelskonflikte, der Brexit und die schwächelnde Autoindustrie die Stimmung in den Chefetagen der Industrieunternehmen.

 


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