Die Wirtschaftslage in den Schlüsselbranchen Automobil und Maschinenbau hat sich im ersten Quartal 2019 verschlechtert, nur die Bauindustrie blieb stark. Da Stahlunternehmen ihre Produktion nicht im gleichen Maße gesenkt haben, führt das zu einem Angebotsüberschuss und damit zu einer positiven Verhandlungsposition für Stahleinkäufer.
Bereits der letzte Beitrag zum Stahlpreis in der März-Ausgabe hatte sich sehr dezidiert mit der Entwicklung von Angebot und Nachfrage am Stahlmarkt auseinandergesetzt. Die Wirtschaftslage im Allgemeinen sowie die Situation am Stahlmarkt im Besonderen stellt sich nach wie vor allerdings recht unsicher dar. So kommt aktuell die Frage auf, wie sich die einzelnen Bereiche entwickeln und mit welchen Argumenten Einkäufer in Verhandlungen mit ihren Stahllieferanten eintreten könnten. Ein Blick auf das Angebot und die Nachfrage am Stahlmarkt kann darauf Antwort geben.
Die Nachfrageseite
Die negative Entwicklung in der Automobilindustrie hält an. Wir hatten von den schlechten Zahlen im 2. Halbjahr 2018 bereits berichtet. Sie waren 20 Prozentpunkte niedriger als im Vorjahreszeitraum. Diese Entwicklung hat sich nun fortgesetzt. Auch in den ersten drei Monaten 2019 lag die Pkw-Produktion mit –11 % doch sehr deutlich unter den Vorjahresmonaten, berichtet der Verband der Automobilindustrie (VDA).
Auch im deutschen Maschinenbau lässt sich ein Abwärtstrend erkennen. Während die Entwicklung 2018 in dieser Branche noch als konstant gut bewertet werden konnte, zeichnet zu Beginn 2019 die Lage auch hier ein deutlich trüberes Bild. „Die Konjunktur im Maschinenbau schwächt sich ab, die vielen politischen Belastungen insbesondere im internationalen Geschäft zeigen Wirkung“, kommentierte Chefvolkswirt Ralph Wiechers vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Anfang April. Somit war März der dritte Monat infolge mit sinkenden Bestellungen in dieser Branche.
Anders sieht es in der Bauindustrie aus: Sie hatte sich 2018 positiv entwickelt. Die ersten Monate des Jahres 2019 bestätigen diese Tendenz. Eine Abschwächung ist hier aktuell nicht zu erkennen und nicht abzusehen. Die Frage wird jedoch unweigerlich sein, wie lang sich die Bauindustrie von der allgemeinen, weniger positiven Wirtschaftsentwicklung wird abkoppeln können.
Zu den Auswirkungen der Nachfragesituation auf den Stahlmarkt liegen aktuelle Statistiken der Wirtschaftsvereinigung Stahl vor. Nach einem Anstieg Anfang 2017 geht der Bedarf schon seit längerer Zeit kontinuierlich zurück, wie die Entwicklung der Marktversorgung zeigt.
Nachdem sich die Marktversorgung bis Mitte 2018 kaum auf die Auftragslage ausgewirkt hat, zeigt sich seitdem ein massiver Rückgang der Auftragseingänge in der deutschen Stahlindustrie. Hintergrund dürften die Stahlimporte in Kombination mit dem oben geschilderten, teilweise gesunkenen Bedarf in wichtigen Industrien sein. Ein Auftragsrückgang um 6 % über das ganze Jahr 2018 sowie von 12,9 % in den ersten beiden Monaten 2019 muss als erheblicher Einschnitt bezeichnet werden.
Die Angebotsseite
Stellt man die negativen Entwicklungen auf der Nachfrageseite nun der Angebotsseite gegenüber, wird es für Einkäufer spannend.
Die Stahlproduktion in Deutschland ist zwar reduziert worden, aber längst nicht in demselben Ausmaß, wie der Bedarf gesunken ist. Im Jahr 2018 ergab sich eine Minderproduktion von 2 %, in den ersten Monaten 2019 waren es 5 %. Dies allein deutet auf einen Angebotsüberschuss hin, welcher nach allgemeinen Marktbedingungen tendenziell eigentlich zu Preisreduzierungen führen sollte.
Ergänzend hinzu kommen die gestiegenen Importmengen, die durch die EU-Safeguard-Maßnahmen zwar eingedämpft werden, aber derzeit immer noch auf einem hohen Niveau liegen. Zudem sollen diese Maßnahmen bereits im Sommer 2019 wieder gelockert werden. Die Stahlunternehmen selbst schätzen ihre Lage dementsprechend nicht unbedingt positiv ein. Im BDI-Industriebericht 04/2019 steht dazu: „Dies zeigt sich zum einen an der ifo-Geschäftsumfrage, nach der die Stahlunternehmen ihre Geschäftslage im März zum ersten Mal seit knapp eineinhalb Jahren wieder mehrheitlich als negativ eingestuft haben.“
Bedeutung für den Einkauf
Informationen dieser Art können Einkäufer in ihren Verhandlungen mit Stahlanbietern helfen. Redet man als Einkäufer mit den Lieferanten über Stahlpreise, kann man diese Argumente für sich nutzen. So ist man davor gefeit, dass einem der Stahlhändler „einen Bären aufbindet“.
Es gilt aber auch dabei wie immer zu beachten, dass die Lage sich jederzeit wieder verändern kann. Überzieht man jetzt den Verhandlungsrahmen, indem man versucht, die Preise zu stark zu drücken und verhält man sich in dieser guten Verhandlungsposition nicht dennoch partnerschaftlich, muss man damit rechnen, hierfür – im wahrsten Sinne des Wortes – einen hohen Preis zu bezahlen.
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