London/Eschborn, 05.12.2019: Die deutsche Industrie ist im November erneut geschrumpft. Allerdings hat sich das Minus abgeschwächt, teilte der englische Finanzdienstleister IHS Markit in London mit. So fielen die Rückgänge bei Produktion, Neuaufträgen und Beschäftigung allesamt milder aus als in den Vormonaten. Zudem fiel der Geschäftsausblick der Hersteller erstmals wieder positiv aus. Des Weiteren zeigen die Daten, dass der Druck auf die Verkaufspreise weiter anhält. Dies liegt vor allem an den kräftig fallenden Einkaufspreisen sowie dem zunehmend erbitterten Wettbewerb um neue Aufträge. Der saisonbereinigte IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) kletterte im November auf 44,1 Punkte nach 42,1 im Oktober. Auch wenn das der beste Wert seit Juni ist, notiert der EMI nach wie vor im klar im Minus.
„Die aktuellen EMI-Daten lassen Hoffnungsschimmer erkennen. So kletterte der deutsche PMI im November immerhin auf ein Fünfmonatshoch“, betonte BME-Hauptgeschäftsführer Dr. Silvius Grobosch am Donnerstag in Eschborn. Es bleibe dennoch abzuwarten, ob sich bereits eine Trendwende abzeichne oder die Schwäche des Verarbeitenden Gewerbes anhalte.
„Noch tun sich der EMI und die deutsche Konjunktur schwer. Somit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Zinsen noch ein bisschen weiter in den Negativbereich senken wird“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Donnerstag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Dies sollte es dann aber gewesen sein, da die negativen Effekte dieser Geldpolitik immer offensichtlicher würden und die EZB in ihrer Rolle auf Aufsichtsinstitution vermehrt auf diesen Sachverhalt hinweise. „Nicht die Geldpolitik, sondern die Handelspolitik von Trump und Xi bzw. ein Waffenstillstand im Handelskrieg sollten hingegen der Grund für eine sukzessive Stabilisierung der Weltkonjunktur im kommenden Jahr sein“, fügte die Helaba-Bankdirektorin hinzu.
„Gesamtwirtschaftlich sind wir wohl doch einer technischen Rezession knapp entkommen, vor allem dank eines zunehmenden Konsums der privaten Haushalte und der öffentlichen Hand. Aber dies bedeutet keine Entwarnung, denn wie die Zahlen zeigen, geht es im Industriesektor weiterhin äußerst zäh zu“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Donnerstag dem BME.
„Die zweite Verbesserung in Folge ist ein Hoffnungszeichen für die deutsche Industrie. Auch wenn die Geschäftsaussichten der Industrieunternehmen zum ersten Mal seit fünf Monaten leicht positiv sind, bleibt die Situation insgesamt jedoch weiterhin angespannt“, teilte Katharina Huhn, Leiterin des Referats Konjunktur, Wachstum, Unternehmensbefragungen im DIHK, am Donnerstag dem BME mit. Ein Ende der außenwirtschaftlichen Herausforderungen sei derzeit nicht in Sicht. Das drücke auf die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft. Der Wettbewerb um neue Aufträge bleibe hart und die Produktion hierzulande sinke aufgrund der rückläufigen Auftragslage. So viele deutsche Unternehmen wie noch nie seit der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise nennen in der aktuellen DIHK-Umfrage die schleppende Auslandsnachfrage als Risiko für die künftige Geschäftsentwicklung. „Angesichts der strukturellen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft müssen wir intensiv an nachhaltigen Verbesserungen unseres Standortes arbeiten. Hier müssen Prioritäten gesetzt werden. Ein wichtiges Signal wäre eine international wettbewerbsfähige Unternehmenssteuerbelastung von nicht mehr als 25 Prozent“, betonte die DIHK-Konjunkturexpertin in ihrem Statement für den BME.
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise sagte Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Donnerstag dem BME: „Trotz erster Anzeichen einer konjunkturellen Erholung nach dem Jahreswechsel sind die Rohstoffpreise noch im Keller. Allerdings gibt es auch Indikationen für Veränderungen nach oben, selbst im Stahlsektor. So zogen die deutschen Stahlschrottnotierungen infolge knapper Verfügbarkeit schon im November 2019 um rund zehn Prozent an. Im nordamerikanischen Markt erhöhten sich zu Beginn des abgelaufenen Monats die Preise für Walzstahl; der chinesische Inlandsmarkt folgte in den nächsten Novemberwochen. Dies könnte auch Signale auf das europäische Preisniveau haben. Eine nachhaltige Erholung sehen wir aber erst im Verlauf des ersten Quartals 2020.“
Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:
Industrieproduktion:
Im November ist die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe den zehnten Monat in Folge zurückgegangen, was ein Großteil der Umfrageteilnehmer der rückläufigen Zahl an Neuaufträgen sowie dem schrumpfenden Auftragsbestand zuschrieb. Immerhin schwächte sich die Rückgangsrate den zweiten Monat hintereinander ab und fiel so gering aus wie seit August nicht mehr.
Auftragseingang insgesamt/Export:
Der saisonbereinigte Teilindex Auftragseingang notierte im November zum 14. Mal in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Laut den Befragten ließ sowohl die Nachfrage von inländischen als auch ausländischen Kunden nach. Hauptursachen dafür waren die nach wie vor angespannte geopolitische Lage, wirtschaftliche Unsicherheiten sowie die Schwäche des Automobilsektors. Allerdings verbesserte sich der Teilindex erneut vom annähernden 10,5-Jahrestief im September und signalisierte das kleinste Minus seit Januar dieses Jahres. Der Rückgang der Exportorder schwächte sich zum dritten Mal innerhalb der vergangenen vier Monate ab und zeigte damit die geringste Abnahme seit Januar an. Nichtsdestotrotz fiel das Minus immer noch substanziell aus, da über ein Viertel der Umfrageteilnehmer eine Reduzierung der Auslandsaufträge meldeten. Wie einige Einkaufsmanager berichteten, ging vor allem die Nachfrage aus Asien zurück.
Beschäftigung:
Im Verarbeitenden Gewerbe wurden abermals mehr Stellen gekürzt als neue geschaffen, womit der Job-Abbau seit nunmehr neun Monaten anhält – das ist die längste Phase seit der Periode 2008-2010. Der saisonbereinigte Teilindex blieb zwar erneut deutlich unter der Referenzlinie von 50 Punkten, verbesserte sich aber gegenüber dem annähernden Zehnjahrestief vom Oktober auf den besten Wert seit August. Geringere Fabrikauslastungen und Sparmaßnahmen waren laut einiger Umfrageteilnehmer die Hauptgründe für die jüngste Reduzierung.
Einkaufs-/Verkaufspreise:
Die Einkaufspreise sind im November so markant gesunken wie seit März 2016 nicht mehr. Eine Vielzahl der befragten Manager berichtete von niedrigeren Preisen für Metalle (insbesondere Stahl). Daneben wurden auch für Chemikalien und Kunststoffe Preisreduzierungen gemeldet. Verantwortlich für die Verbilligung waren meist ein Überangebot des jeweiligen Materials sowie der wachsende Wettbewerb unter den Anbietern. Die Umfrageergebnisse zeigten einmal mehr, dass auch die Verkaufspreise weiter fallen, da die niedrige Nachfrage viele Hersteller mehr oder weniger dazu zwang, einen Teil ihrer Kosteneinsparungen aufgrund günstigerer Einkaufspreise an die Kunden weiterzugeben. Trotz einer leichten Abschwächung gegenüber dem Vormonat, war es immer noch die zweitstärkste Rückgangsrate der vergangenen zehn Jahre.
Jahresausblick:
Merklich aufgehellt haben sich die Geschäftsaussichten der Industrieunternehmen. So notiert der entsprechende Teilindex erstmals seit fünf Monaten wieder über der Schwelle von 50 Punkten – wenngleich nur denkbar knapp. Altbekannte Probleme wie Handelskriege, nachlassende Binnenkonjunktur und der Brexit bereiten den Einkaufsmanagern weiterhin Kopfschmerzen. Dennoch ist der Anteil der Befragten, die pessimistisch in die Zukunft blicken von 31 Prozent auf 20 Prozent deutlich zurückgegangen. Mit Wachstum rechnen derweil 21 Prozent nach 19 Prozent im Vormonat.
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