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Coronavirus legt Lieferketten nahezu lahm


Der Corona-Virus bringt Lieferketten von und nach China zum Erliegen. Die Folge: ein gravierender Containermangel und explodierende Frachtkosten.

Ein Drittel der VW-Kapazitäten in China liegt still. Apple wartet vergeblich auf iPhone-Nachschub, der in China produziert werden sollte und Sportartikelhersteller Adidas verzeichnet einen Umsatzeinbruch von 85 Prozent im Reich der Mitte. Schuld daran ist ein kleiner Krankheitserreger mit dem Namen COVID-19, umgangssprachlich auch Coronavirus genannt.

Lieferketten von China nach Deutschland stocken

In China steht das Leben nahezu still. Wird eine neue Virusinfektion bekannt, riegeln die Behörden den kompletten Betrieb ab, in dem der oder die Infizierte arbeitet, und sämtliche Arbeiter werden zwei Wochen in Quarantäne gesteckt. Die Folge: ein fast totaler Stillstand im Land. Das erste Quartal 2020 gilt quer durch alle Branchen als verloren.

Das hat Folgen für Deutschland und die EU: Hierzulande fehlen wichtige Vorprodukte für Maschinen und Autos. Aber auch andere Branchen wie die Kosmetikhersteller, die Textil- und Elektroindustrie sind betroffen. Dementsprechend sagen einer Studie der deutschen Außenhandelskammer in China zufolge 59 Prozent der Unternehmen, das der Corona-Virus große Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit hat. Die AHK hat dafür 576 chinesische Unternehmen mit Hauptsitz in der EU befragt. 47 Prozent geben danach an, dass sie nicht in der Lage sind, Lieferfristen einzuhalten, da es Unterbrechungen in der Lieferkette gibt, 45 Prozent geben Produktionsverspätungen aufgrund von knappen Lagerbeständen an. Vor allem Unternehmen der Automobilindustrie und im Maschinenbau sind davon betroffen.

Zum einen wird also deutlich weniger produziert, zum anderen kommen im Rest der Welt benötigte Waren nicht aus China heraus. Fast alle Airlines haben ihre Flüge von und nach China eingestellt.

Auf Nachfrage des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) bestätigten mehrere deutsche Industrieunternehmen, dass ihre Geschäftsaktivitäten in China durch die Coronavirus-Epidemie – wenn nicht massiv, so zumindest empfindlich – gestört seien. Einzelne Firmen teilten mit, sie könnten kein Personal zur Durchführung von Freigabeinspektionen schicken, was die Lieferungen nach Europa weiter verzögere.

Manche Unternehmen hielten die zur Produktion benötigten industriellen Rohstoffe in größeren Mengen auf Lager. Ob es demnächst zu gravierenden Versorgungsengpässen beim Nachschub komme, hänge von der Dauer der Epidemie ab.

Containermangel trotz weniger Handel

Eine Folge dessen ist ein gravierender Containermangel. Sie stehen zu Hunderttausenden in den chinesischen Häfen und werden nicht entladen, da Hafenarbeiter fehlen – genauso wie Lkw-Fahrer für den Weitertransport. Denn diese müssen eine 2-wöchige Quarantäne über sich ergehen lassen, bevor sie von einer Fahrt wieder in ihre Heimatstadt zurückkehren können.

Und da kaum Waren das Land verlassen, stehen leere Container ungenutzt herum und es kommen merkbar weniger Behälter in Europa an, die wiederum für den Transport gebraucht werden.

Die Folge: Reedereien streichen Fahrten gen Asien und die Frachtkosten für die verbleibenden Fahrten schießen in die Höhe. Das dänische Unternehmen Sea Intelligence geht davon aus, dass pro Woche 300.000 Container wegfallen, die wegen des Coronavirus nicht transportiert werden könnten. Bis Ende März könnten sechs Millionen Container weniger von China aus verschifft werden bzw. dort ankommen als in normalen Jahren.

Explodierende Frachtpreise

Sobald sich der Handel wieder erholt, rechnen Experten und Unternehmen mit einer weiteren explosionsartigen Steigerung der Transportkosten. Preise für die ohnehin schon teuren Lufttransporte könnten sich versechsfachen, zitiert das Magazin Spiegel ein Frachtunternehmen. Seefracht könne doppelt so teuer werden.

Besonders betroffen sind Container mit Kühlwaren, die auf Strom angewiesen sind. Die begehrten Plätze sind in den meisten chinesischen Häfen belegt, sodass neue Container nicht entladen werden können. Daher wird der Transport von Frischware zu einem teuren Vergnügen: Reedereien wie CMA CGM oder Hapag-Lloyd berechnen zusätzliche Kosten für Kühlcontainer nach Shanghai oder Ningbo. Sea Intelligence schätzt, dass pro Woche rund 300.000 Container wegfallen.

Seidenstraße als Alternative?

Einige Unternehmen weichen bereits auf die Schiene aus und nutzen die neue Seidenstraße für den Transport von und nach China. Der Vorteil: Eine Tour von Deutschland über Polen, Weißrussland, Russland, Kasachstan und die Mongolei bis nach Shanghai dauert mit 18 Tagen nur ungefähr halb so lang wie auf dem Seeweg. Der Nachteil: Es haben gerade einmal 100 Container Platz auf einem Zug – im Vergleich zu 20.000 auf einem Schiff.

Alternativen zu chinesischen Lieferanten finden

Der BME erfuhr aus seinem Mitgliedernetzwerk in China, dass derzeit alternative Lieferquellen in anderen Teilen der Welt erschlossen werden. Geschäftspartner des BME „erzählten uns, dass ihre Lagerbestände mittlerweile einen kritischen Punkt erreichen. Daher ordern sie fehlendes Produktionsmaterial vereinzelt von alternativen Lieferanten außerhalb Chinas – so beispielsweise von Zulieferbetrieben aus Europa“, erläutert Riccardo Kurto, China-Beauftragter des BME.

Und so lautet dann auch das Fazit der AHK-Studie: "Der Handelskrieg zwischen den USA und China war ein Weckruf. Der COVID-19-Ausbruch hat den Bedarf an diversifizierten Lieferketten noch einmal bekräftigt."

 


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